Worldspace - Sat-Hörfunk ohne Schüssel

Worldspace - Sat-Hörfunk ohne Schüssel Harald Kuhl

Hörfunkempfang per Satellit ist derzeit noch eine Angelegenheit für das Wohnzimmer. Primär verantwortlich hierfür ist die für den Empfang notwendige Offset-, Cassegrain- oder Flachantenne, die möglichst exakt auf das zu empfangende Satellitensystem auf seiner geostationären Position auszurichten ist. Bereits eine leichte Abweichung vom Optimum sorgt bei analogen Empfangsanlagen für eine deutliche Verschlechterung des Empfangs bzw. macht diesen bei digitalen Anlagen komplett unmöglich. Zwar gibt es portable Sat-Anlagen für den Campingbereich und nachführende Spezialantennen für den mobilen Empfang beispielsweise in Bussen oder auf Schiffen, die vom Autoradio oder tragbaren Transistorradio gewohnte Mobilität erreicht der Hörfunkempfang per Satellit damit jedoch längst nicht. Mit der Einführung neuer Übertragungssysteme für den digitalen Satelliten-Hörfunk wird sich dieses Bild schon bald ändern.

Der Pionier: WorldSpace

Als 1999 WorldSpace mit seinem Satelliten AfriStar auf Sendung ging, nahm davon hier zu Lande nur eine Minderheit von Fachleuten Notiz. In der Hauptsache richtet sich das WorldSpace-System nämlich an eine Hörerschaft außerhalb der Industrienationen des Nordens. Auf der Berliner Internationalen Funkausstellung präsentierte man im Technisch Wissenschaftlichen Forum am Stand der Fraunhofer Gesellschaft dennoch erstmals neuartige Satellitenempfänger für den portablen Empfang des neuen Systems. In vielen Ländern des Südens ist es für die dortigen Hörfunkstationen kaum möglich, mit herkömmlichen Sendemitteln eine landesweite Reichweite in guter Empfangsqualität zu gewährleisten. Mit herkömmlichen Sendemitteln sind UKW-Senderketten gemeint oder ein Netz von Mittel- oder Kurzwellensendern. Kaum eine privatwirtschaftlich organisierte Sendeanstalt und nur wenige staatliche Stationen sind in der Lage, die für den Aufbau und die Wartung einer technischen Infrastruktur notwendigen finanziellen Mittel auf die Dauer aufzubringen. In Zimbabwe hatte man beispielsweise über viele Jahre hinweg versucht, die landesweite Hörfunkversorgung allein über den Aufbau eines Netzes von UKW-Sendern zu gewährleisten, während man gleichzeitig die zuvor hierfür eingesetzten und ohnehin überalterten Kurzwellensender nach und nach abschaltete. Allerdings erfordert eine landesweite UKW-Versorgung aufgrund der im Vergleich zur Mittel- und Kurzwelle geringen Reichweite ein relativ dichtes Netz von Sendeanlagen. Da sich dies auf die Dauer nicht finanzieren ließ, kehrte der staatliche Rundfunk schließlich zur Kurzwelle zurück und reaktivierte die über etliche Jahre hinweg ungenutzten Frequenzen. Mittlerweile sind jedoch auch diese wieder weitestgehend verstummt. Die inzwischen bestehende Möglichkeit, sämtliche Programme der Zimbabwe Broadcasting Corporation weltweit über das Internet zu hören, hat für die überwiegend ländliche Bevölkerung des Landes keine Relevanz, für die bereits der Kauf von Batterien für das dörfliche Transistorradio eine nicht unerhebliche Investition darstellt.

Der gebürtige Äthiopier Noah Samara, der sein Projekt 1990 in Washington startete und trotz aller Zweifler knapp zehn Jahre später mit dem Start des Satelliten AfriStar in die Praxis umsetzte, will mit WorldSpace dem Hörfunk als dem in vielen Ländern des Südens nach wie vor wichtigsten elektronischen Medium eine adäquate Plattform verschaffen. In der aktuellen Aufbauphase sind drei geostationäre Satelliten mit unterschiedlichen Zielregionen geplant: AfriStar sendet seit 1999 für den afrikanischen Kontinent und den Nahen Osten, AsiaStar wendet sich seit 2000 an den riesigen asiatischen Markt. Noch folgen soll der Satellit AmeriStar, der in Lateinamerika und der Karibik zu empfangen sein wird. Jeder dieser Satelliten verfügt über drei Beams (Richtstrahler), über die die jeweiligen Regionen mit unterschiedlichen Programmen versorgt werden können. Diese stammen von einer bunten Mischung bestehend aus nationalen und internationalen Sendeanstalten, wobei öffentlich-rechtlich und privatwirtschaftlich organisierte Anbieter ebenso vertreten sind wie staatliche. Darüber hinaus sind auch Programme vertreten, die entwicklungspolitische Ziele wie die Bekämpfung von Aids verfolgen, einem von Beginn an wichtigen Anliegen Noah Samaras. Neben frei empfangbaren Programmen sieht das System auch die Möglichkeit vor, zu weiteren Inhalten nur gegen Bezahlung Zugang zu erhalten. Über die Tastatur des Empfängers muss dann eine Schlüsselzahl eingegeben werden. Zusätzlich zu Hörfunksendungen werden auch reine Datendienste übertragen. Die Ausstrahlung erfolgt digital im MP3-Verfahren in einem Frequenzbereich mit dem Namen L-Band (1.453, 384 - 1.490,644 MHz), für dessen Empfang spezielle Empfangsgeräte notwendig sind.

Die Besonderheit des WorldSpace-Projektes besteht aber weniger in der Ausstrahlung, die sich bis hierhin nur wenig von anderen geostationären Satellitensystemen unterscheidet, sondern vielmehr auf der Empfangsseite. Denn anders als beim hierzulande verbreiteten Empfang von Satellitensystemen wie Astra oder Eutelsat ist für den Empfang der WorldSpace-Satelliten keine starr ausgerichtete Empfangsantenne notwendig. Stattdessen sind die vier Empfangsgeräte der ersten Generation mit einer ca. 10 x 10 Zentimeter kleinen Flachantenne ausgestattet, die entweder direkt am Gerät oder auch etwas abgesetzt betrieben werden kann. Zwar gestattet auch das WorldSpace-System nicht den Satellitenempfang ohne eine direkte Sichtverbindung zwischen dem Satelliten und der Empfangsantenne, jedoch ist deren Ausrichtung deutlich unkritischer als man es bisher gewohnt war. Es reicht bereits aus, die Antenne lediglich in die grobe Richtung des ausstrahlenden Satelliten zu schwenken, damit die Programme in UKW-ähnlicher Qualität empfangen werden können, teilweise sogar in Stereo. Selbst der Empfang durch die geschlossene Fensterscheibe klappt - im Gegensatz übrigens zum hierzulande verbreiteten DVB-System - in vielen Fällen problemlos. In Ländern in der Nähe des Äquators, in denen der jeweilige WorldSpace-Satellit fast senkrecht über der Empfangsantenne steht und somit kaum Hindernisse den Empfangsweg versperren, ist zudem der mobile Empfang von Satellitenhörfunk bereits heute Realität.

Bedeutung für Europa

Sie mögen sich nun fragen, ob dies alles auch eine Bedeutung für den Hörfunkempfang in Europa hat? In der Tat: Noch während der Erprobungsphase des AfriStar stellte sich heraus, dass aufgrund der höher als erwartet ausfallenden technischen Reichweite ein Teil der dort übertragenen Programme auch in weiten Teilen Europas (bis Südskandinavien) in einwandfreier Qualität gehört werden kann (Beam 1 bzw. Westbeam). Für europäische Radiohörer bietet sich auf diesem Weg eine sonst nicht bestehende Möglichkeit, lokale oder regionale Radiostationen aus Afrika und Nahost in UKW-Qualität zu empfangen, teilweise sogar in stereo. Darüber hinaus strahlen auch einige internationale Sender ihre Programme über AfriStar aus, darunter die Vollprogramme von BBC London, RFI Paris und REE Madrid. Im Rahmen der Programmpakete von World Radio Network (WRN) sind zahlreiche weitere englisch- und deutschsprachige Programme von internationalen Auslandssendern über AfriStar in einer Audioqualität zu empfangen, die bislang weder Kurzwelle noch Internet bieten können. Eine Auflistung der in Europa empfangbaren Programme findet sich im Internet und wird ständig auf dem aktuellen Stand gehalten.

Mittlerweile hat man bei WorldSpace das Potenzial erkannt und bietet nun auch europäischen Inlandssendern die Möglichkeit an, Übertragungskapazitäten anzumieten. Ein deutscher Musiksender hat das Angebot bereits angenommen, ein kirchlicher Sender aus München zögerte bei Abschluss dieses Beitrags entgegen ursprünglicher Ankündigungen noch. Sogar beim ehemaligen Seesender Radio Caroline besteht eine gewisse Chance, dass man künftig per WorldSpace ins Äthermeer zurückkehrt. Gleichzeitig sind WorldSpace-Empfänger nun auch offiziell in Europa erhältlich, nachdem diese zunächst nur auf Umwegen den Weg hierher fanden. Anfang 2001 kündigte WorldSpace sogar den Start eines eigenen Satelliten für Hörer in Europa an.

Prognose

Dass es für den Erfolg eines neuen Übertragungssystems nicht ausreicht, eine gut funktionierende Technologie zu entwickeln, wissen wir nicht erst seit dem Niedergang von DSR und den andauernden Verbreitungs- schwierigkeiten von DAB. Ein Produkt kann noch so gut sein, doch sobald sich dem Kunden dessen Mehrwert nicht erschließt oder die Endgeräte zu teuer sind, wird es problematisch. Nach dem Start des AfriStar wurden die für dessen Empfang notwendigen Empfangsgeräte zunächst in einigen Ländern Süd- und Ostafrikas angeboten, um den Markt zu testen. Ursprünglich war davon die Rede gewesen, dass für WorldSpace geeignete Empfangsgeräte nicht mehr als 100 US$ kosten würden, doch die Realität sah anders aus: Man musste kein Wirtschaftsanalyst sein, um angesichts von zunächst bei 300 US$ startenden Verkaufspreisen dem System eine schleppende Verbreitung zu prognostizieren. Insbesondere in den ländlichen Regionen kann eine solche Summe für ein Radiogerät nicht aufgebracht werden, wenn bereits der Kauf von Batterien gut überlegt sein will. Erst die seit Herbst 2001 in Indien produzierten WorldSpace-Empfänger der zweiten Generation nähern sich dem ursprünglich angestrebten Endverbraucherpreis.

Auch der Verkauf von Übertragungskapazitäten an Programmanbieter blieb bislang hinter den Erwartungen zurück, von einem ursprünglich diskutierten Ersatz der Kurzwelle kann keine Rede mehr sein. Internationalen Sendeanstalten wie beispielsweise die Deutsche Welle stehen heute vor dem Problem, dass immer neue Vertriebswege entstehen. Erreichen diese eine große potenzielle Hörerschaft, müssen sie zur Sicherung von Marktanteilen genutzt werden, ohne dass man die alten Vertriebswege einfach aufgeben kann. Neben der Kurzwelle sind heute die weltweite Ausstrahlung per Rundfunksatellit und Internet unverzichtbare Vertriebswege, die von den internationalen Sendeanstalten trotz sinkender Budgets finanziert werden müssen. Technisch noch so ausgereifte und sinnvolle Sonderlösungen wie der von WorldSpace geebnete Weg werden folglich weniger gut angenommen, sobald deren Massenwirksamkeit hinter den Erwartungen bzw. im Vergleich zu den anderen Vertriebswegen zurück bleibt. Als WorldSpace 1990 an den Start ging, waren die derzeitige Neuorientierung des internationalen Auslandsrundfunks und dessen sinkende Etats allerdings noch nicht abzusehen. Für nationale Sendeanstalten bietet die Ausstrahlung über einen der WorldSpace-Satelliten hingegen eine gute Möglichkeit, die eigene Reichweite erheblich zu steigern. Auch in vielen Ländern Afrikas ist die nationale Rundfunklandschaft in den zurückliegenden Jahren deutlich vielfältiger geworden, nachdem das staatliche Rundfunkmonopol aufgegeben wurde. Problematisch ist aber offenbar auch hier die Finanzierung der Übertragung, so dass eine regelmäßige Fluktuation der per AfriStar ausgestrahlten Programme festzustellen ist.

Wohl auch deshalb ist in jüngster Zeit bei WorldSpace ein Strategiewandel festzustellen: Neben digitalen Hörfunkdiensten werden nun auch verstärkt Datendienste ausgestrahlt. Ein Testmarkt ist zunächst das ostafrikanische Land Kenia, wo seit Sommer 2001 eine spezielle PC-Einsteckkarte angeboten wird. Über eine daran angeschlossene Flachantenne ist gegen Entrichtung einer Monatsgebühr ein spezieller Dienst namens WorldSpace Direct Media zugänglich, der neben den Hörfunkprogrammen auch den Empfang von Daten, Bildern und ausgewählten Inhalten aus dem Internet unabhängig von der lokalen Infrastruktur gestattet. Das Produkt soll bald auch in anderen Ländern Afrikas und in Indien verfügbar sein. Angesichts einer maximal möglichen Übertragungsgeschwindigkeit von 128 kBit/s ist dies sicherlich kein vollwertiger Ersatz für den herkömmlichen Datenempfang, dürfte aber für viele kommerzielle und private Kunden durchaus interessant sein. Bei WorldSpace betrachtet man diese neue Initiative übrigens nicht als Abkehr von dem Vorhaben, für einen Großteil der Weltbevölkerung auch ohne das Vorhandensein einer lokalen Infrastruktur einen Zugang zu Informationen zu schaffen. Dem mag man entgegnen, dass Computer in den Regionen noch weniger Verbreitung haben werden, in denen bereits die Anschaffung eines WorldSpace-Empfängers nicht finanzierbar ist. Die bei Redaktionsschluss jüngste Initiative umfasst eine Kooperation zwischen WorldSpace, der UNESCO und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zur Unterstützung humanitärer Projekte in Flüchtlingscamps in Tansania durch die Errichtung von so genannten Telezentren. Durch eine Verbesserung der Kommunikation soll unter anderem die Zusammenführung von durch Bürgerkriegswirren getrennter Familien unterstützt werden. Mittelfristig wird mit der Beteiligung weiterer UN-Organisationen gerechnet, darunter vielleicht sogar United Nations Radio.

Ob es tatsächlich zur Realisierung des angekündigten WorldSpace-Satelliten für Hörer in Europa kommt, lässt sich derzeit schwer abschätzen. Eine technisch bedingte Tatsache ist, dass ein geostationärer Satellit wie der AfriStar eine gute Lösung für den portablen oder mobilen Empfang in südlichen Breiten ist. Denn dort befindet sich der Satellit in einem hohen Erhebungswinkel (Elevation) über dem Empfänger. Je weiter man jedoch nach Norden kommt, desto flacher wird der Empfangswinkel, und desto öfters sorgen Bäume, Berge oder Gebäude für Empfangsstörungen. Nur mit Hilfe einer großen Zahl von terrestrischen Füllsendern ließe sich in Europa dieses Problem umgehen, wodurch die Systemkosten jedoch deutlich steigen würden.

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