DVB-Terrestrisch

DVB-Terrestrisch Mario Gongolsky

Wie der Name des Systems schon sagt, handelt es sich bei DVB-T um ein neues Fernsehverfahren. Die Entwicklung von DVB wird parallel zu DAB, der Norm für den digitalen Hörfunk, vorangetrieben. Daraus ergibt sich, schon bevor das eine oder andere Verfahren mit messbarem Effekt am Markt installiert ist, Streit und Lagerbildung.

Die Einführung von DVB-T ist durch einen Beschluss des Bundeskabinetts vom August 1998 festgelegt worden, wobei auch hier ein Zeitplan bis 2010 in Aussicht gestellt wird. Der Streit der Fachleute und Gremien schwelt wohl vor allem, weil die Mittel für den Sendernetzausbau DVB und DAB aus dem gleichen Topf finanziert werden sollen. Da sagen die Vertreter der DVB-Liga natürlich, dass man DAB nicht mehr benötige. Im Gefolge von fünf TV-Programmen könnte man zeitgleich noch 30 Hörfunkprogramme mit übertragen.

Doch der Reihe nach: Während DAB einen Regelbetrieb ohne Hörer ausgerufen hat, befindet man sich beim Digitalfernsehen derzeit noch in der Feldversuchsphase. Wenn die zeitlichen Maßstäbe der DAB-Entwicklung angelegt werden, ist man befürchtenswerterweise noch Jahre von einer Markteinführung entfernt.

DVB-T technisch betrachtet

DVB-T ermöglicht die Übertragung von 18 bis 24 Fernsehprogrammen je nach Region. Zusätzlich können Hörfunkprogramme mittels DVB-T transportiert werden. Als weitere Anwendung werden Mediendienste gesehen, also DVB als digitale Arbeitsplattform. Dabei wird klar an einer direkten Integration des Internet und der Mobilfunkstandards GPRS und UMTS gearbeitet.

Und tatsächlich ist die erreichbare Datengeschwindigkeit von DVB-T deutlich höher als beim Hörfunkstandard DAB. Durch die Wahl der Betriebsparameter von DVB-T kann eine nutzbare Datenrate zwischen 10 Mbit/s knapp 30 Mbit/s erzielt werden. Bei DAB sind es hingegen nur 2,4 Mbit/s.

Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass hohe Datenraten und ein bewegter mobiler Betrieb, zum Beispiel im Auto, sich einander widersprechen. Um die Fehlerrate im Fahrzeugbetrieb in praktikable Bereiche zu lenken, sinkt die nutzbare Datenrate erheblich. DAB wurde hingegen für eine fehlerfreie mobile Nutzung entwickelt.

Fernseh- und Radiosignale unterscheiden sich dramatisch in der erforderlichen Frequenzbandbreite. So benötigt ein DVB-Satellitentransponder 27,5 MHz Bandbreite. Zum Vergleich, das gesamte UKW-Rundfunkband umfasst 20 MHz und DAB bringt auf 1,5 MHz Bandbreite immerhin sechs bis acht Hörfunkprogramme unter.

So kann man DVB-T empfangen

Zur Zeit der Drucklegung dieses Buches, sind die geplanten Settop-Boxen erst vereinzelt im Handel. Das Angebot soll sich in Kürze weiter beleben.

Den vorhandenen Fernseher soll man weiter benutzen können. Wie jede technische Innovation im Fernsehen beginnt alles mit einem „Kästchen”; das war so bei der Einführung des Zweiten Deutschen Fernsehens und auch bei der Einführung des Kabelanschlusses. Die eingebaute Antenne der Settop-Box soll die digitalen TV-Signale empfangen und in ein analoges, für den Fernseher auswertbares Signal verwandeln. Zusätzlich kann die Settop-Box auch mit der Stereoanlage verbunden werden, um Radioprogramme zu empfangen.

DVB wird kein Hörfunkrenner

Die Möglichkeit Radio zu hören gibt es ja auch schon beim analogen Satellitenempfang. Die Quote der Satellitenanlagenbesitzer, die auch Radioprogramme empfangen, liegt deutlich unterhalb von 10 %. Für den Durchschnittsnutzer sind Radio und Fernsehen zwei ganz unterschiedliche Dinge. Bis die allgegenwärtige Konvergenz der Systeme auch in den Köpfen der Hörer verankert ist, wäre DVB ein Radiovertriebsweg ohne wirtschaftlichen Wert.

Doch es gibt weitere Argumente gegen DVB als Radiomedium. So ist zum Beispiel eine Settop-Box nur ein Zwischenschritt zum digitalen DVB-Empfänger, der den analogen Fernsehapparat ablösen wird. Ein Kombinationsgerät von Digital-TV und Digital-Radio dürfte zu groß, zu schwer und keinesfalls billiger werden als getrennte digitale Empfangsgeräte. Wenn ich eine Trennung der Empfangsgeräte von Radio und Fernsehen als wahrscheinliches Szenario unterstelle, ist es faktisch ohne Bedeutung, ob Radio und Fernsehen die gleiche Sendenorm verwenden oder verschiedene.

Darüber hinaus sind die Versorgungszellen für die TV-Verbreitung in ihrem Flächenmaß erheblich größer bemessen als Versorgungszellen für den Hörfunk, der ja auch lokale und regionale Inhalte transportiert. Die Auslegung der gesamten Rundfunklandschaft in große, fernsehgerechte Versorgungsgebiete reflektiert nur sehr unzureichend die Bedürfnisse des Hörfunks, ist doch gerade der lokale Bezug des Hörfunks eine Stärke des Radios schlechthin.

Technisch ist vor allem der hohe Sendeenergieverbrauch zu kritisieren. Hier summieren sich Zellengröße, Frequenzbandbreite und die erforderliche Feldstärke für einen uneingeschränkten mobilen Empfang zu einem satten Nachteil von DVB-T als Hörfunkcarrier.

DVB-T-Zukunft

Die ersten DVB-T-Empfangsinseln entstanden in den norddeutschen Ballungsräumen: Hannover, Braunschweig, Bremen/Bremerhaven, Hamburg, Kiel/Schleswig, Berlin und Schwerin/Rostock. Ausgehend von diesen Großräumen wird das Sendernetz bis zum Jahr 2010 nach und nach weiter ausgebaut, um am Ende das analoge PAL-Sendernetz ganz zu ersetzen.

Der Norddeutsche Rundfunk hat sich klar zugunsten von DVB-T entschieden und betreibt zusammen mit der Telekom ein Sendernetz für den Pilotbetrieb. Genau der gleiche NDR verhält sich beim Ausbau des Rundfunksystems DAB zurückhaltend bis ablehnend.

Da alle ARD-Rundfunkanstalten ja ein Fernsehsignal auszustrahlen haben, macht die DVB-Vorrangpolitik Sinn, denn die Sendekosten für das digitale Fernsehen der Zukunft müssen ohnehin erbracht werden. Dafür hätte man die Gewähr einer digitalen landesweiten Verbreitung der eigenen Hörfunkprogramme inklusive. Also scheiden sich hier sogleich die Geister bei der Frage, wie die regionalen und lokalen Programme zum Hörer kommen sollen. Auch den privaten Hörfunkketten, die kein Fernsehvollprogramm zu verbreiten haben, treibt diese Entwicklung Sorgenfalten auf die Stirn.

Für eine DVB-T-Prognose ist es noch zu früh.